Die Schleswiger Kaltblutpferde vom Bebensee

Seit einigen Jahren fallen inmitten der anmutigen White Galloways urwüchsige Arbeitspferde ins Auge. Der unkundige Betrachter vermutet aufgrund der schwarzen Fellfarbe und des imponierenden Behanges Pferde der Rasse Friesen. Doch weit gefehlt: hier tummeln sich die vom Aussterben bedrohten Schleswiger Kaltblutpferde.

Ursprünglich waren ein oder zwei Schleswiger zur sanften Weidepflege angedacht. Daraus ist mittlerweile eine stattliche Herde beeindruckender Schleswiger Rappen geworden.

Mechthild Bening

Wie ich zum Kalt­blut kam

Im Harz aufge­wachsen, kannte ich selbst­verständ­lich Kalt­blut­pferde. Das Klappern der Huf­eisen auf dem Kopf­stein­pflas­ter, wenn ein Gespann den schwer bela­denen Lang­holz­wagen zum Güter­bahn­hof zog, war ein ver­trau­tes, melo­disches Geräusch.

Als ich dann vor vielen Jah­ren auf einem Weih­nachts­markt in Ham­burg einen Huf­schmied beo­bachte­te, der einen Schles­wiger beschlug, fühlte mich in meine Kind­heit zurück ver­setzt und bald danach konnten meine Rinder mit der Rapp­stute „Henny“ von Jürgen Isen­berg, Gut Kamp, das erste Pferd auf dem Hof bestau­nen.

Los geht´s

Anfänge & Erfahrungen

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Die typische Fellfarbe des Schleswigers ist die Fuchsfarbe. Doch mein Herz entschied sich sofort für eine der ganz ganz seltenenen Rappstuten, als ich das erste Mal ein schwarzes Schleswiger Kaltblutpferd sah.

Ein Übriges tat dann das Vermächtnis von Jürgen Isenberg, der mich drei Tage vor seinem Tod zu sich auf den Hof bestellte. Dort zählte er mir erst die Hengste auf, die beim nächsten Körtermin vorgestellt werden sollten, aber bei der Verabschiedung sagte er dann beiläufig: „Und Sie sind mir verantwortlich für die Rappen“.

Bei seinerzeit vier Rappstuten und einem einzigen Rapphengst genau die richtige Aufgabe für eine „Pferdeanfängerin“.

Einstieg in die Hengsthaltung

Also Augen auf und schon einmal im Geiste die Anschaffung eines eigenen Hengstes mit entsprechendem genetischen Potential durchgespielt.

Und als der Farbtest ergab, dass der Siegerhengst der Körung 2018, BakkelyJanus, mit meinen reinerbigen Rappstuten wiederum Rappen zeugen würde, hatte ich das Rezept gefunden, um die alte Anweisung von Jürgen Isenberg „und Sie sorgen mir für die Rappen“ erfüllen zu können.

Mein Umfeld erklärte mich für ziemlich verrückt, mir völlig unerfahren einen Hengst anzuschaffen – aber da war es schon zu spät. Die Zuneigung überwog alle Vernunftargumente.

Die Grundlagen

Rassebeschreibung & Zuchtziel

Das Schleswiger Pferd ist ein mittelrahmiges, bewegliches Kaltblutpferd mit harmonischem, für alle Zug- und Fahrzwecke geeignetem Körperbau.

Freundlich, lernwillig, robust und futterdankbar bietet es sich auch für den vielfältigen Einsatz im Freizeit- und Therapiebereich unter dem Sattel an. Das erwünschte Stockmaß liegt zwischen 1,54 – 1,62 m. Neben der vorherrschenden Fuchsfarbe treten selten auch Schimmel, Rappen und Braune auf.

Charakteristische Merkmale sind ein trockener, markanter Kopf mit geradem bis leicht konvexem Profil, mittellange Beine mit trockenen, starken Gelenken, seidigem, nicht zu üppigem Behang und festen, runden Hufen. Der Rücken soll kurz und kräftig mit einer gut bemuskelten, leicht abfallenden Kruppe sein.

Im Zuchtprogramm des Pferdestammbuchs Schleswig Holstein/Hamburg e.V. sind die Merkmale der Rasse und die grundlegenden Zuchtziele festgeschrieben.

Das Zuchtprogramm als PDF

In Deutschland

Die Historie des Schleswiger Kaltbluts

Die alte Rasse des Jütländer Pferdes bildet die Her­kunfts­grund­lage für das Schles­wiger Kalt­blut.

  • Der Suffolk Punch Hengst Oppenheim gelangte 1862 eher zufällig aus England nach Dänemark und konnte die Kaltblutzucht in Deutschland und Dänemark bedeutend verbessern.
  • 1883 wird Oppenheims Nachkomme Aldrup Munkedal geboren, der als Stammvater des Schleswiger Kaltbluts gilt.
  • In den 1940er Jahren war die Rasse mit 25.000 Stuten und 450 Hengsten gut aufgestellt. Die blühende Kaltblutzucht war über die Grenzen der nördlichen Landesteile hinaus bekannt und sorgte für gute Erträge auf den Höfen.

Mit dem stei­genden Einsatz von Maschi­nen verlo­ren die Kalt­blut­pferde an Bedeu­tung. Beson­ders die Ablö­sung durch den Schlepper führte dazu, dass das Kalt­blut seine Be­rech­tigung im Ar­beits­alltag verlor.

  • Seinen Tiefstand hatte es 1976 mit nur noch 35 Stuten und fünf Hengsten und war damit dem Aussterben nahe.
  • Um Inzucht zu vermeiden, importierte der engagierte Züchter Jürgen Isenberg 1977 den jütländischen Hengst Odin nach Gut Kamp in Schleswig-Holstein. Durch Odin konnte der Niedergang der Schleswiger Kaltblüter verhindert werden.
  • In den 1990er Jahren etablierte sich dann eine organisierte Zucht unter dem Dach des Pferdestammbuches Schleswig Holstein/Hamburg e.V., die das Schleswiger Kaltblut vor dem Aussterben bewahren soll.

Gezüchtet wird aktuell vor allem in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Vereinzelte Tiere wurden auch in andere Bundesländer verkauft. Auch in Dänemark wurde mit viel Engagement für die Rasse ein bedeutender Bestand etabliert. Im Herdbuch wurden 2021 wieder 162 Stuten und 16 Hengste geführt.

Doch auch heute steht das Schleswiger Kaltblut noch ganz oben auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Nutztierrassen der Gesellschaft zur Erhaltung alter Haustierrassen (GEH).

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Die aktive Herde vom Bebensee